Eddie Izzard: „Irgendwann werde ich Witze auf Arabisch machen“ - WELT (2024)

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Eddie Izzard ist ein Comedy-Weltstar, nicht nur in England. Er macht Witze über Tiere, Pflanzen, das All und die Geschichte der Erde. Gerade spielt er in Berlin seine Show „Force Majeure“ – auf Deutsch.

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Die Welt: Eddie Izzard, in welcher Sprache sollen wir das Interview führen?

Eddie Izzard: Ich muss probieren auf Deutsch. Ich muss Deutsch reden. Üben üben üben. Ich bin kurz nach dem Wendepunkt, wo ich das Selbstvertrauen habe, Deutsch zu reden, auch mit dem Publikum.

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Die Welt: Dann fangen wir mit Monty Python an. John Cleese hat Sie mal den „Lost Python“ genannt. Was bedeutet die Truppe ihnen?

Izzard: Für mich waren die immer ein großer Einfluss. Surrealistisch, intelligent und ... silly?

Die Welt: Albern.

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Izzard: Das ist besser als doof?

Die Welt: Ja. Doof ist eher wie stupid.

Izzard: Gut. Also, intelligent und albern. Das ist für mich sehr wichtig. Ich bin ja wie ein Kind auf der Bühne, nur im Körper eines Erwachsenen. Und Monty Python sind schon sehr Englisch, auch wenn ein Waliser und ein Amerikaner mitgemacht haben. Sie sind international, überall bekannt, aber trotzdem eher Kult, nie wirklich Teil des Mainstreams.

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Die Welt: In den Siebzigern kamen die Pythons nach Deutschland und haben zwei Folgen vom „Fliegenden Zirkus“ gedreht. Auf Deutsch, mit phonetisch einstudierten Dialogen. Hat Sie das inspiriert?

Izzard: Ja, aber mein Abenteuer ist etwas anderes. Ich kann die Sprache ja ein wenig, ich hab sie in der Schule gelernt. Das war eine gute Idee der Pythons, und Michael Palin kann den Lumberjack-Song noch heute auf Deutsch singen: „Ich bin Holzfäller und mir gehts gut...“ Aber ich will noch weiter gehen.

Die Welt: Die Pythons sind ja alle Kinder des Zweiten Weltkriegs. Deren Deutschlandbild unterscheidet sich vermutlich von Ihrem.

Izzard: Unfortunately gibt es in Großbritannien die Vorstellung: was ist Germany? Guter Fußball und Zweiter Weltkrieg. Aber ich suche nach einer anderen Idee von Deutschland. Es gibt in UK einen Comedian namens Henning Wehn. Der ist in London in Clubs aufgetreten als „Comedy-Botschafter von Deutschland“. Mit einer Stopp-Uhr in der Hand: „So, jetzt haben wir 4 Minuten und 37 Sekunden Zeit für Comedy“. Der hat mit dem Stereotyp gespielt und es gleichzeitig unterwandert, weil er die Leute ja zum Lachen gebracht hat. Heute ist er sehr bekannt und im Fernsehen. Das ist gut für das Land. Weil Leuten diesen bullsh*t glauben: Deutsche haben keinen Humor, das ganze Land nicht, alle 80 Minuten. Aber das ist ja unf*ckingmöglich. Ich bin hier, Wehn ist dort. Drittes Jahrtausend, baby.

Die Welt: Ihr letztes Programm haben Sie auch auf Französisch gespielt und treten auch sonst überall auf der Welt auf. Fühlen Sie sich denn noch wie ein Teil der britischen Comedy-Szene?

Izzard: Ich bin britischer Comedian, meine comedy ist geboren in Großbritannien. Aber es ist keine rein british comedy. Comedy ist universal, deswegen kann ich sie auch auf der ganzen Welt spielen und sie funktioniert trotzdem.

Die Welt: Deutsche denken bei „englischem Humor“ oft an morbide, schwarze Witze, Zynismus. Stellen Leute bestimmte Erwartungen an Sie, weil Sie ein britischer Comedian sind?

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Izzard: Ich weiß es nicht! Ich habe einen kleinen Ruf. Ich nenne mich selbst „international minor celebrity“, internationaler B-Promi. Weil man mich ein bisschen kennt. Die Leute, die in meine Shows kommen, meistens sowieso.

Die Welt: Und das Publikum hier in Berlin, wer ist das? Expats oder tatsächlich Deutsche?

Izzard: Meistens Deutsche. Bis zu 80 Prozent. Bei der Show gestern waren es so 60 Prozent. Das ist mir auch wichtig, dass ich viele Deutsche in meiner Show habe. Ich mag die Vorstellung nicht, dass ich nur vor Leuten spiele, die auch Englisch können.

Die Welt: Stand-up Comedy in UK und den USA ist gerade in zwei Fronten geteilt: auf der einen Seite die, die über alles, inklusive Vergewaltigung und Shoah, Witze machen und die, die in Comedy fast ein Werkzeug der Befreiung und Gerechtigkeit sehen.

Izzard: Es gibt sicher noch mehr Seiten, noch andere Zugänge. Es gibt Comedy, die für jeden funktioniert, und die wird dann oft banal genannt. Das wurde mir am Anfang gesagt: Dass meine comedy zu sanft ist, too gentle. Aber auch da beeinflusst mich Python. Ich bin auf der Seite surrealer Comedy. Und gleichzeitig will ich auch etwas auf der Bühne ausdrücken.

Die Welt: Sie spielen in Ihrer Show unter anderem einen Baum, einen Maulwurf, ein Huhn in der römischen Armee und diverse Könige. Geht es darum, dass jeder das sein möchte, was er will?

Izzard: Es geht um Status. Ich bin hier oben, ihr seid da unten, oder umgekehrt. Ich bin politisch, das schleicht sich immer mehr rein. Aber ich versuche keine parteipolitischen gags zu machen, weil das langweilig ist und auch schnell altert. Manchmal geht es um den Glauben an Gott, oder warum der Mensch tötet, warum es Menschenopfer gab. Das war schließlich keine kluge Idee. Eine frühe Form des Extremismus: „Die Ernte ist schlecht, was tun wir jetzt nur? Komm, wir töten Steve!“ Keine Logik, sondern Anti-Logik. Das finde ich spannend.

Die Welt: Für viele Comedians ist ja das eigene Leben die Quelle für Gags.

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Izzard: Am Anfang habe ich das gemacht. Ich hatte ein paar Nummern darüber, wie es als Transvestit so ist, zum Beispiel. Ich habe auch über meinen Vater gesprochen, andere Familienmitglieder wollten das nicht. Aber man muss ja gar nichts, auf der Bühne. Es gibt ja keine Regeln.

Die Welt: Wer sich Ihre Show ansieht, der lacht viel, lernt vielleicht auch was. Aber er erfährt wenig über Sie, als Person. Trotzdem stehen Sie nicht über dem Publikum.

Izzard: Ich gehe erst einmal davon aus, dass das Publikum intelligent ist. Das ist schon mal ein guter Anfang. Ich nenne das dumbing-up: ich rede über mittelalterliche Könige, aber ich mache Witze über sie, alberne Witze.

Die Welt: Wie haben Sie ihr aktuelles Programm geschrieben?

Izzard: Das ist immer schwierig. Ich fange einfach an. Ich gehe auf die Bühne. In San Francisco, Los Angeles und New York. Zwei Shows am Tage. Ich rede und rede und rede, mit der alten show als Notfallreserve. Und so komme ich auf neue Ideen. Dann fange ich an, verbal zu meißeln. Für die Shows auf Deutsch wurde das Programm noch mal übersetzt, und ich habe eine Souffleuse neben der Bühne, und meinen Bruder, der Deutsch kann.

Die Welt: Sehen Sie einen roten Faden im Programm? Es geht viel um die Dummheit von Anführern.

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Izzard: Ja, es geht um Diktatoren. Diktatoren sind Drecksäcke. Aber das trifft nicht auf alle Anführer zu. Ich habe ja keine Witze zu Lincoln, das wäre auch schwierig. Es geht mir um Autokraten, Warlords. Da kommt meine politische Richtung wieder durch. Sollten Nazis in meine Show kommen, hoffe ich, dass sie schnell merken, dass das nichts für sie ist. [wieder auf Deutsch] Hitler würde meine show nicht geliebt. He'd be pissed off. Und was Hitler anpisst, das kann nur gut sein.

Die Welt: Letztes Jahr hat der Quatsch Comedy Club den irischen Komiker Dylan Moran nach Berlin geholt. Er interessiert sich sehr für Osteuropa und tritt oft in Russland auf. Für ihn war die Stadt wegen ihrer Geschichte im Kalten Krieg beeindruckend. Haben Sie ähnliche Gefühle?

Izzard: Ich mag die Stadt. Vor allem die geheizte S-Bahn, wenn es draußen kalt ist. Ich war Januar 1990 hier. Das hat mich sehr bewegt. Ich weiß, dass es nie eine richtige Nazi-Stadt war. Und jetzt sage ich allen in England und den USA, dass ich zwei Monate lang in Deutschland spiele. Und alle so: what the f*ck. Leute bleiben oft in alten Vorstellungen stecken. Aber Berlin war ja nie wirklich so. Das ist wichtig. Und danach mache ich vielleicht eine kleine Tour durch das Land. Wahrscheinlich werde ich auch in Berchtesgaden auftreten. Mal sehen, was passiert. „Der Transvestit ist in der Stadt!“

Die Welt: Da gibt es ja in Berlin auch genügend Geschichte, angefangen mit Magnus Hirschfeld.

Izzard: Ja, all dieses coole Zeug, vor dem Krieg. Das erwarten die Leute heute von mir auch.

Die Welt: Wirklich? Kommen Leute immer noch in Ihre Shows und wollen Sie in Frauenkleidern sehen, wie in den Neunzigern?

Izzard: Leute, die mich noch nicht kennen, mich auf YouTube suchen und dann alte Clips finden. Aber das mache ich nicht mehr auf der Bühne.

Die Welt: Warum eigentlich?

Izzard: Ich bin einfach ein Transvestit. Am Anfang habe ich das auf der Bühne nicht gezeigt. Dann dachte ich mir: das sagst du den Leuten besser, bevor deine Karriere so richtig losgeht. Deswegen habe ich es Zeitungen erzählt. Die haben das aber für einen Witz gehalten. Und dann bin ich in den USA aufgetreten. Und da haben Leute gesagt: alles klar, du bist ein Tranvestiten-Komiker. Als Gesamtpaket. Aber ich bin einfach nur ein Comedian, der eben zufällig auch Transvestit ist. Sonst sind daran ja auch Erwartungen geknüpft. Dass ich was singe und dann am Ende gibts ein große Tanznummer.

Die Welt: Aber war es eine bewusste Entscheidung, auf der Bühne im „Jungsmodus“ zu bleiben?

Izzard: Nein, ich hab mich einfach entwickelt. Ich wollte, dass Leute davon gelangweilt sind und einfach nicht mehr fragen. Gestern habe ich Lippenstift getragen, das erste Mal seit 3 Wochen. Vielleicht mache ich das heute wieder, vielleicht auch nicht. Wie bei einer Frau: heute nicht, morgen ja. Es muss langweilig werden. Ich verändere mich ja sowieso nicht. Ich bin, wer ich bin. Mal so, mal so. Bis zur Wahl jedenfalls.

Die Welt: Und was dann?

Izzard: Dann werde ich hoffentlich gewählt, zum MP oder Bürgermeister einer Stadt, und dann bin ich Politiker.

Die Welt: Dann stelle ich Ihnen jetzt eine richtiger Politiker-Frage. Ist die EU bedroht?

Izzard: Nein, aber sie macht eine schwere Zeit durch. Aber das ist sogar gut. Wir müssen etwas kämpfen, das ist am Anfang immer so. Leuten meckern, Europa dies und das. In Großbritannien wird die EU dämonisiert, oder es werden Lügen verbreitet. Dabei geht es einfach nur um faire Regeln. Und dass jeder die gleiche Chance hat.

Die Welt: Was bedeutet es Ihnen, Europäer zu sein?

Izzard: Ich bin hier aufgewachsen. Ich wurde ja im Jemen geboren, weil meine Eltern da gearbeitet haben. Aber ich bin in England aufgewachsen, war oft in Frankreich, in den Ferien in Deutschland. Ich kann das gar nicht genau fassen, aber irgendwas ... ist da. Das mir gefällt. Europa hat ein furchtbares Jahrhundert hinter sich. Die Welt hat ein furchtbares Jahrhundert hinter sich. Das darf nicht mehr passieren. Dafür möchte ich etwas tun.

Die Welt: Und deswegen spielen Sie Ihre Show auf Deutsch? Nicht der Herausforderungen wegen?

Izzard: Nein, es geht mir um mehr. Ich habe eine Taktik. Das ist natürlich politisch. In Frankreich kann ich, theoretisch, mit 60 Millionen Menschen spielen. In Deutschland mit 80 Millionen. Und dann noch Österreich und die Schweiz. Und dann lerne ich Spanisch, und damit habe ich auch den Schlüssel für Südamerika. Dann kommt Russisch – Ostdeutsche, die ich hier treffe, sagen mir, dass das machbar ist.

Die Welt: Und als Finale?

Izzard: Arabisch, weil das am schwersten wird. Jeder sagt mir, dass ich in Kairo spielen muss. Dann der Libanon, Dubai vielleicht.

Die Welt: Der König von Jordanien ist ein großer Comedy-Fan.

Izzard: Er ist ganz vernarrt in Comedy! Aber ja, ich möchte an all diesen Orten spielen, bei denen der Rest der Welt glaubt, dass sie zu gefährlich sind. Oder einfach falsche Vorstellungen hat. Dabei stimmt das alles nicht. Ich war da, ich kann davon erzählen! Schließlich sitze ich hier in Berlin und kann sagen: it's all cool.

Eddie Izzard: „Irgendwann werde ich Witze auf Arabisch machen“ - WELT (2024)
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Author: Edmund Hettinger DC

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